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Grundrechte

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Aktualität der Debatte

  •  In vielen Mitgliedstaaten der EU haben sich national-konservative bzw. rechtspopulistische politische Gruppierungen etabliert, die zwar für sich selber Meinungsfreiheit und politische Mitsprache in Anspruch nehmen. Menschen anderer Religion, sexueller Ausrichtung oder ethnischer Herkunft verweigern sie mit Hinweis auf angeblich naturgegebene Homogenität von Völkern oder „natürlicher“ bzw. gottgegebener Eigenschaften von Menschen jedoch Teilhaberechte und Anerkennung (s. z. B. der Umgang mit Angehörigen der Roma, Hass gegen Homosexuelle in einigen mittel- und osteuropäischen Staaten)
  • Das Asylrecht wird von vielen Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen aus ärmeren Regionen der Welt nach Europa fliehen, als Vorwand missbraucht, um Zugang zu den Arbeitsmärkten der EU zu erlangen. Das führt zu Abwehrreaktionen bei vielen europäischen
    Bürgern. Darunter leiden jene Flüchtlinge, die tatsächlich aus Gründen politischer Verfolgung um Asyl in der EU bitten. Wie soll die EU reagieren?
  • Die Digitalisierung dringt tief in das tägliche Leben eines jeden von uns ein. Sie schafft viele neue Möglichkeiten, sich frei zu entfalten und neue Arbeitsplätze. Aber sie verführt auch zu einem sehr freizügigen Umgang mit persönlichen Daten und negativen Erscheinungen wie Cybermobbing und Daten-Diebstahl. Wo ist die Grenze zwischen Netzfreiheiten und Persönlichkeitsschutz?
Title: Charter of Fundamental Rights of the EU, 2000 Creator: European Parliament

Hintergrundwissen

Wer die Grundrechtecharta knapp von einem Europaabgeordneten, Jens Geier aus NordrheinWestfalen, erklärt bekommen möchte, sollte hier hineinhören:

 

Wie entstand die Charta der Grundrechte der EU?

Bereits seit den 1970er Jahren hatte das Europäische Parlament immer wieder gefordert, die Gründungsverträge der Gemeinschaft durch einen Katalog fundamentaler Menschen- und Freiheitsrechte zu ergänzen. Am 12. April 1989 entwarf es selbst eine erste Erklärung der Grund- und Freiheitsrechte und rief die Bürger der damaligen EG-Mitgliedstaaten dazu auf, diese zu unterstützen. Aber erst 1999 stimmten die damals 15 Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat bei ihrem Gipfeltreffen in Köln zu, die Rechte der Bürger der Europäischen Union in einem eigenständigen Dokument zu erfassen. Sie übertrugen diese Aufgabe einer Arbeitsgruppe, die sich aus Repräsentanten der Staats- und Regierungschefs, dem Präsidenten der Europäischen Kommission, Mitgliedern des Europäischen Parlaments und nationaler Parlamente sowie Beobachtern des Europäischen Gerichtshofs zusammensetzte. Außerdem wurden Vertreter verschiedener Interessengruppen und des Europarats angehört. Die Leitung der Gruppe hatte der ehemalige deutsche Bundespräsident Roman Herzog. Diese „Konventsmethode“ war für damalige Verhältnisse ein sehr innovatives Vorgehen, zumal die Gruppe alle ihre Dokumente der Öffentlichkeit zur Verfügung stellte und ihre Sitzungen öffentlich abhielt.

Am 7. Dezember 2000 unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs der EU die „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ (kurz: Grundrechtecharta) feierlich. Auch das Europäische Parlament stimmte zu.

Rechtsverbindlich wurde die Charta aber erst zusammen mit dem Vertrag von Lissabon am 1. Dezember 2009: In dessen Artikel 6 erkennt die EU die in der Grundrechtecharta enthaltenen Rechte, Freiheiten und Grundsätze an und erklärt, dass die Grundrechtecharta den EU-Verträgen „gleichrangig“ sei. D.h. die Organe und Politiken der EU sind an die Inhalte der Grundrechtecharta genauso gebunden wie an die der EU-Verträge. Auch die Mitgliedstaaten müssen sich bei der Anwendung von EU-Recht deshalb an die Inhalte der Charta halten. 1

Wem nützt die Grundrechtecharta?

Die EU-Grundrechte gelten für alle Bürger der Europäischen Union und für Menschen aus Drittstaaten, die sich rechtmäßig in der EU aufhalten. Einige der aufgeführten Menschenrechte (wie z. B. das Recht auf Unantastbarkeit der Menschenwürde) gelten für alle Menschen, unabhängig von ihrem Bürger- oder Aufenthaltsstatus.

Einige EU-Grundrechte gehen sogar über das hinaus, was nationale Verfassungen garantieren – im deutschen Grundgesetz findet sich beispielsweise kein Rechtsanspruch auf eine „gute Verwaltung“.

Die Grundrechtecharta ergänzt die nationalen Systeme des Menschen- und Grundrechteschutzes, ersetzt sie aber nicht. Wer sich in seinen Grundrechten verletzt fühlt, muss sich deshalb zunächst an nationale Gerichte wenden. Und wenn man dort mit einer Klage scheitert, ist noch ein Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte möglich. Letzterer ist kein Organ der Europäischen Union. Er entscheidet über Verletzungen von Rechten, die in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten des Europarats verankert sind (deshalb können dort z. B. auch russische Bürger den russischen Staat verklagen, denn dieser ist Mitglied im Europarat).

Verstößt ein EU-Mitgliedstaat bei der Umsetzung von EU-Recht gegen die Bestimmungen der Grundrechtecharta, kann die Europäische Kommission den Mitgliedstaat in bestimmten Fällen mit Hilfe einer Vertragsverletzungsklage vor dem Europäischen Gerichtshof bringen. Ein einzelner Bürger kann das nicht.

1 In Polen ist die Charta der Grundrechte der Europäischen Union nur teilweise anwendbar, da sich die polnische Regierung in einem Extra-Protokoll zum Lissabonner Vertrag bestätigen ließ, dass die Bestimmungen der Charta die polnischen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bzw. -maßnahmen nicht zwingend binden.

Welche Rechte bietet die Grundrechtecharta?

In der Grundrechtecharta werden insgesamt 50 Grundrechte genannt, die nach sechs thematischen Schwerpunkten geordnet sind:

Würde des Menschen

Unantastbarkeit der Menschenwürde, Recht auf Leben, Recht auf Unversehrtheit, Folterverbot, Verbot von Sklaverei und Zwangsarbeit

Freiheiten

Recht auf Freiheit und Sicherheit, Achtung des Privat- und Familienlebens, Schutz personenbezogener Daten, Recht auf Ehe und Familiengründung, Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, Meinungs- und Informationsfreiheit, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit, Recht auf Bildung, Berufsfreiheit, Recht zu arbeiten, unternehmerische Freiheit, Eigentumsrecht, Asylrecht, Schutz bei Abschiebungen oder Auslieferungen

Gleichheit

Gleichheit vor dem Gesetz, Nichtdiskriminierung, kulturelle, sprachliche, religiöse Vielfalt, Gleichheit von Frauen und Männern, Kinderrechte, Rechte älterer Menschen, Integration von Menschen mit Behinderungen

Solidarität

Unterrichtung und Anhörung von Arbeitnehmern, Kollektivverhandlungen und Kollektivmaßnahmen (z.B. Streiks), Zugang zu einem Arbeitsvermittlungsdienst, Schutz vor ungerechtfertigter Entlassung, gerechte u. angemessene Arbeitsbedingungen, Verbot von Kinderarbeit, Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben, Soziale Sicherheit und soziale Unterstützung, Recht auf Gesundheitsschutz, Recht auf Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (z.B. ÖPNV, Wasser- und Stromversorgung), Umweltschutz, Verbraucherschutz

Bürgerrechte

Aktives- und passives Wahlrecht zum Europäischen Parlament, Aktives- und passives Wahlrecht bei Kommunalwahlen in den Mitgliedstaaten, Recht auf gute Verwaltung, Recht auf Zugang zu Dokumenten, Recht auf Anrufung des EU-Bürgerbeauftragten, Petitionsrecht beim Europäischen Parlament, Recht auf Freizügigkeit, Diplomatischer Schutz durch Behörden aller EU-Mitgliedstaaten

Justizielle Rechte

Recht auf Rechtsbehelf und unparteiische Gerichte, Unschuldsvermutung und Recht auf Verteidigung, Gesetzmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit von Strafen, Recht, wegen derselben Straftat nicht zweimal strafrechtlich verfolgt oder bestraft zu werden

Die Menschenrechts­politik der EU

  • Erstmals im Jahr 2012 wurden von der EU ein „Strategischer Rahmen für Menschenrechte und Demokratie“ und ein Aktionsplan für dessen praktische Umsetzung beschlossen. Weitere, aktualisierte Aktionspläne folgten 2015 und 2020. Die darin festgeschriebenen Grundsätze sehen vor, dass die Menschenrechte als eine Art „roter Faden“ in allen Politikbereichen der EU zu berücksichtigen sind. Sie dienen auch als praktische Anweisungen für die EU-Vertretungen weltweit und für EU-Verhandlungsführer, wenn es um internationale Abkommen und Verträge geht.
  • Zur Umsetzung der Aktionspläne setzt die EU vor allen Dingen auf Dialoge mit Regierungen, Organisationen der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft. Sie beobachtet Wahlen und Gerichtsverfahren gegen Menschenrechtsverteidiger, kann auch Instrumente ihrer Handelspolitik nutzen, um Menschenrechte und Demokratie in einem anderen Land zu fördern.
  • Der aktuelle Aktionsplan 2020- 2024 sieht Maßnahmen vor, die die Menschenrechts- und Demokratiepolitik der EU an den Wandel in der Geopolitik, die Digitalisierung und die Bewältigung ökologischer Herausforderungen anpassen.
  • Für die Steuerung der Umsetzung der Aktionspläne ist der EU-Sonderbeauftragte für Menschenrechte zuständig.

Menschenrechte sind angeboren und universell. Das erklärt der Kabarettist Abdelkarim locker und lustig in diesem Video aus der Reihe der Reihe „Abdelkratie“ auf den Webseiten der Bundeszentrale für Politische Bildung

Dieser Text und der Medieninhalt sind unter der Creative Commons Lizenz “CC BY-NC-ND 4.0 – Namensnennung –
Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International” veröffentlicht. Autor/-in: Christoph Goos für bpb.de

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