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Schulmaterial Rechtsstaatlichkeit

Rechtsstaatlichkeit

Schulmaterial Rechtsstaatlichkeit

Recht und Gerechtigkeit

Als Bürger eines zur EU gehörenden Staates erwarten wir, dass wir in gerechten Verhältnissen leben können. Mit dieser Erwartung ist die Vorstellung verbunden, dass jeder Mensch nach seinen Möglichkeiten behandelt, gefördert und gefordert wird.

Nun gehört aber zu den verfassungsmäßig gesicherten Grundlagen des Zusammenlebens in der EU, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Entsteht da nicht ein Widerspruch – ein Widerspruch zwischen Gerechtigkeit und Recht? Ein Widerspruch, wie ihn diese Karikatur zeigt:

Karikatur von Hans Traxler, aus: Klant, Michael 1983, S.25: Schulspott: Karikaturen aus 2500 Jahren Pädagogik.

Die Europäische Union löst dieses Dilemma, indem sie für alle ihre Mitglieder verbindliche Regeln aufstellt – die Umsetzung dieser Regeln aber doch im nationalen Rahmen geschehen lässt. So entsteht ein im Grundsatz fester, aber doch flexibler europäischer Rechtsraum – der beste Garant für möglichst viel Gerechtigkeit im vereinten Europa.

Recht und Staat

Träger dieses der Gerechtigkeit verpflichteten europäischen Rechtsraumes sind die nationalen Rechtsstaaten sowie alle EU-Organe. Aber was ist ein Rechtsstaat? Wann ist ein Staat ein Rechtsstaat – und wann nicht mehr?

Ein Rechtsstaat gründet auf allgemein und für jedermann gültigen Gesetzen. Alles, was die staatlichen Organe – ob in einem Nationalstaat wie Frankreich oder Polen oder in der EU insgesamt – den Bürgern vorschreiben oder gestatten, muss eine gesetzliche Grundlage haben.

Die Gesetze eines Rechtsstaates müssen in Übereinstimmung zu den Grundrechten der Menschen stehen. Für die EU sind diese am 7. Dezember 2000 feierlich in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union festgehalten worden. – Hier gelangst Du zur EU-Grundrechte-Charta.

Ein weiteres wichtiges Kennzeichen des Rechtsstaats ist die Verhältnismäßigkeit der im staatlichen Handeln angewandten Mittel. Ein Staat darf nicht „mit Kanonen auf Spatzen schießen“, ein Falschparker darf nicht wegen seines Vergehens ins Gefängnis gesteckt werden.

Die Neigung, durch unverhältnismäßig starke Maßnahmen eine unliebsame Sache ein für allemal aus der Welt zu schaffen, ist nicht nur im Behördenhandeln groß.

Für jede rechtsstaatliche Handlung gilt aber eine dreifache Einschränkung: Eine Maßnahme des Staates gegenüber dem Bürger muss

  • geeignet sein, d.h. der gewünschte Erfolg muss durch die Maßnahme erreicht werden können,
  • erforderlich sein, d.h. es darf kein milderes Mittel zur Regelung der Angelegenheit vorhanden sein,
  • angemessen sei, d.h. Erfolg und Schaden durch die Maßnahme müssen in günstigem Verhältnis stehen.


Ein Lockdown in allen Bereichen, der zur Bekämpfung einer Pandemie staatlich angeordnet wird, muss also erwartbar wirksam sein, der erwartete Effekt darf nicht auch durch bloße Schließung der Schulen erreicht werden und der Lockdown darf nicht zum Kollaps der Wirtschaft führen.

Sollte aber eine Bürgerin oder ein Bürger in der EU das Gefühl haben, dass ihn staatliche Organe ungerecht behandelt haben, muss er sich an ein Gericht wenden können. Nur wenn dieses Element der Rechtssicherheit gegeben ist, kann man von einem Rechtsstaat sprechen.

Recht und Alltag

 

Das Zusammenleben der Menschen in einem Staat oder gar in einer Gemeinschaft von Staaten ist im 21. Jahrhundert ein kompliziertes Geflecht geworden. Daher wirkt das Recht in vielen einzelnen Bereichen des Alltags. Zum Beispiel so:

“Recht sichert den inneren Frieden im Land. Es verbietet jeden privaten Rachefeldzug. Die Streitschlichtung obliegt allein der staatlichen Gewalt.”

“Gesetze schränken zwar die Freiheit des Einzelnen oft ein, aber aufs Ganze gesehen sichert das Recht die Freiheit. Diese endet dort, wo das Recht des Mitbürgers beginnt.”

“Auch viele private Aktionen brauchen eine Rechtsgrundlage. Das beginnt schon beim Erwerb einer Zeitung am Kiosk und endet bei komplizierten Erbverträgen.”

“Recht greift auch in die Ordnung der Gesellschaft ein, es versucht nämlich, soziale Unterschiede auszugleichen – bei Kündigungsschutz oder Mitbestimmung.”

Recht und Europa

Die EU kann als rechtsstaatliche Gemeinschaft nur dann funktionieren, wenn sich alle Mitgliedsstaaten an die gemeinsamen Grundsätze halten: an die Menschenrechte und die daraus hervorgehenden Rechtsbestimmungen.

Gefahren für die Rechtsstaatlichkeit in den einzelnen Staaten entstehen auf verschiedenen Feldern:

Die Unabhängigkeit der Gerichte wird eingeschränkt –
etwa durch Direktiven der Regierung oder durch Manipulationen bei der Richterbesetzung.

Der Schutz von Minderheiten gerät in Gefahr –
etwa durch Einschränkungen des Wahlrechts oder der Bildungsmöglichkeiten.

Die Meinungsfreiheit ist nicht voll gewährleistet –
etwa durch Einschränkungen der Versammlungsfreiheit oder durch Behinderung der Presse.

Gegen diese Gefahren kann sich die EU durchaus sehr wirksam zur Wehr setzen – durch die Einschränkung der Rechte von Mitgliedsstaaten und neuerdings durch finanzielle Eingriffe.

Weitere Gefahren für die Rechtsstaatlichkeit und genauere Hinweise zu den EU-Abwehrmaßnahmen findest Du hier.

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